Michael Cohen am Montag auf dem Weg zum New Yorker Gericht.
Michael Cohen am Montag auf dem Weg zum New Yorker Gericht.
AP/Julia Nikhinson

Die Geschworenen hatten in den Eröffnungsplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung schon viel über ihn erfahren. Sie hatten Fotos von ihm gesehen und seine Stimme aus einem mitgeschnittenen Telefonat über Schweigegeldzahlungen mit Donald Trump gehört. Und den Eindruck erhalten, dass es nur wenige Personen gibt, die Gutes über ihn zu sagen haben.

Um kurz nach halb zehn ruft die Staatsanwaltschaft Michael Cohen in den Zeugenstand des Gerichtssaals 1530 im Manhattan Criminal Court. Der Mann, der den aggressiven Rechtsanwalt 2007 wie einen Sohn adoptiert und ihn zu seiner rechten Hand gemacht hatte, sitzt mit finsterer Miene nur wenige Meter von ihm entfernt auf der Anklagebank. Trumps Augen sind geschlossen, als der Kronzeuge ihn identifiziert.

Die zwölf Geschworenen verfolgen mit großer Aufmerksamkeit, wie Cohen mit ruhiger, fester Stimme über seine Herkunft, seine Rolle in der Trump-Organisation und sein Verhältnis zu Trump spricht. Schnell wird klar, warum der in Washington und Michigan ausgebildete Jurist sein Büro gleich neben dem seines Chefs in der 26. Etage des Trump-Towers von Manhattan hatte.

Von dort aus besorgte der "Wadenbeißer" und "Pitbull" Trumps dessen schmutzige Jobs: von Drohungen gegen Leute, die mit Trump in Clinch geraten waren, über Angriffe auf Medienorganisationen bis zum Aufkaufen negativer Geschichten durch den National Enquirer vor den Präsidentschaftswahlen 2016. "Ich habe gemacht, was immer er von mir wollte."

Loyale Ergebenheit

Der Nachkomme von Überlebenden des Holocaust beschreibt dann seine loyale Ergebenheit zu Trump, mit dem er im Wahljahr oft mehrfach täglich sprach. Weil dieser keine Papierspur hinterlassen wollte, habe er nicht einmal eine E-Mail-Adresse gehabt. Trump habe alles mündlich besprochen und den Kreis der Vertrauten eng gehalten. "Wir waren wie eine große Familie."

Seine eigene Rolle als "Fixer" Trumps habe darin bestanden, "die Aufgaben zu erledigen und ihn glücklich zu machen". Er sei so weit gegangen, für seinen Boss zu lügen. Genau das trug Cohen später Probleme mit der Staatsanwaltschaft ein. Im April 2018 standen Beamte des FBI vor seiner Tür. Sie durchsuchten seine Privat- und später auch Geschäftsräume. Auf der Suche nach Beweisen im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen für den Pornostar Stormy Daniels auf der Zielgeraden des Wahlkampfs.

Trump war alarmiert über die Ermittlungen wegen Steuerbetrugs und Verstößen gegen die Wahlkampffinanzierungsgesetze. Der Präsident wütete vor laufenden Kameras über "einen Angriff auf unser Land". Er ahnte, was kam, und ging auf Distanz zu seinem Adlatus. Enttäuscht über das Verhalten Trumps legte Cohen ein Geständnis ab. Seine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft reduzierte seine Gefängnisstrafe auf drei Jahre.

Cohens Anwalt Lanny Davis bringt die Verbitterung des Fixers so auf den Punkt. "Er ging für das ins Gefängnis, was er im Auftrag Trumps getan hat." Der Ex-Präsident nutzte seine Macht dazu, Ermittlungen der Bundesanwälte vom südlichen Gerichtsbezirk von New York gegen ihn einzustellen. Dass er nun nach Recht des Bundesstaats angeklagt wird, war der einzige Weg, ihn zur Rechenschaft zu ziehen.

Versuchte Diskreditierung

Was zurück in den Gerichtssaal des Manhattan District Courts führt, wo Cohen für die Anklage beweisen soll, dass Trump nicht nur von den als Anwaltskosten für Cohen verschleierten Schweigegeldzahlungen wusste, sondern diese auch in Auftrag gegeben hatte.

Die Verteidigung versuchte im Vorfeld, die Glaubwürdigkeit Cohens als verurteilter Krimineller und notorischer Lügner zu diskreditieren. Und zu suggerieren, dieser habe die 130.000 Dollar an Daniels aus eigenem Antrieb bezahlt, um Trump zu gefallen. Das Schema zur Verschleierung der Rückzahlung könnte er ohne Wissen des Präsidenten zusammen mit Finanzchef Allen Weisselberg ausgeheckt haben. Der verbüßt zurzeit eine zweite Gefängnisstrafe und weigert sich, gegen Trump auszusagen.

Der ehemalige Bundesanwalt in New York, Andrew Weißmann, meint, angesichts der eindeutigen Dokumentenlage und der überwältigenden Indizien anderer Zeugenaussagen sei Cohens Aussage vor allem atmosphärisch wichtig. "Er kann die Punkte miteinander verknüpfen." Manchmal sei es für Geschworene wichtig, den Plot noch einmal plastisch dargestellt zu bekommen. Der Kronzeuge tat am Montag sein Bestes, genau dies zu tun. Die offene Frage blieb vorerst, ob die Geschworenen ihm glauben. (Thomas J. Spang aus New York, 13.5.2024)