Justizministerin Zadić und Verfassungsministerin Edtstadler bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Beim Kostenersatz wurden sich Zadić und Edtstadler einig. Bei anderen Reformen hakt es nach wie vor.
APA/GEORG HOCHMUTH

Der Tierschützer Martin Balluch, der Ex-Politiker Heinz-Christian Strache (FPÖ) und der Ex-Stadtrat Christoph Chorherr (Grüne) haben eines gemeinsam: Sie alle wurden angeklagt und blieben nach ihren Freisprüchen auf einem Berg an Anwaltskosten sitzen. Obwohl formell unschuldig, wurden sie gleichwohl de facto bestraft.

Die drei prominenten Angeklagten, die in den vergangenen Jahren das Thema Kostenersatz aufs politische Tapet gebracht haben, sind nur die Spitze eines Eisbergs an Menschen, die nach Strafverfahren vor dem finanziellen Ruin standen. Strafverteidiger, NGOs und Rechtsprofessorinnen fordern deshalb seit Jahren eine Reform des Kostenersatzes. Die Regierung kommt dieser Forderung nun nach: Künftig soll es für Freigesprochene im Extremfall bis zu 60.000 Euro Ersatz geben.

Die Logik des Kostenersatzes liegt auf der Hand: Im Rechtsstaat ist nur derjenige schuldig, der von einem Gericht rechtskräftig verurteilt wurde. Dass Menschen, die freigesprochen werden, auf Kosten sitzenbleiben, für die sie nichts können, ist rechtsstaatlich bedenklich. Ob eine Verurteilung unterblieb, weil eine Person tatsächlich unschuldig ist oder sie aus einem Mangel an Beweisen oder im Zweifel (in dubio pro reo) freigesprochen wurde, ist aus Sicht des Rechtsstaats egal.

Ersatz stark erhöht

Angeklagte, die mittellos sind, haben Anspruch auf Verfahrenshilfe ("Pflichtverteidiger"). Auch für alle anderen gab es schon bisher einen gewissen Ersatz. Allerdings reichte er oft nicht annähernd aus, um die Kosten einer angemessenen Verteidigung zu berappen. Bei Strafverfahren vor Bezirksgerichten (zum Beispiel kleinen Diebstählen) lag der Ersatz bei maximal 1000 Euro. Am Landesgericht vor Einzelrichtern (falsche Beweisaussage) waren es bisher 3000 Euro, bei Schöffenverfahren (Korruptionsdelikte) oder Geschworenenverfahren (Mord) 5000 bzw. 10.000 Euro. Wurde ein Verfahren bereits im Ermittlungsverfahren eingestellt, gab es bislang gar keinen Ersatz. Doch gerade in Ermittlungsverfahren – also bevor eine Anklage erhoben wird – ist der Einsatz eines Strafverteidigers oft essenziell.

Geht es nach Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), sollen die Beträge nun deutlich erhöht werden: vor Bezirksgerichten auf 5000 Euro, vor Einzelrichtern am Landesgericht auf 13.000 Euro und bei Schöffen- und Geschworenenverfahren auf 30.000 Euro. Je nach Komplexität und Dauer des Verfahrens kann sich dieser Betrag um 50 Prozent erhöhen, in bestimmten Fällen sogar um 100 Prozent – also auf maximal 60.000 Euro. Und auch bei eingestellten Ermittlungsverfahren soll es künftig bis zu 6000 Euro geben. Die Entscheidung über die genaue Höhe des Kostenersatzes fällt eine Richterin oder ein Richter.

Gleiches Recht für alle

Freigesprochene sollen je nach Art und Komplexität des Verfahrens den gleichen Kostenersatz bekommen – unabhängig davon, wie viel Geld ihr Strafverteidiger verlangt. Wer sich eine teurere Anwältin oder einen teureren Anwalt leisten will, kann das freilich tun, wird aber nicht alle Kosten dafür ersetzt bekommen. Ausgeschlossen ist der Ersatzanspruch laut dem Gesetzesentwurf, wenn "der Beschuldigte den das Verfahren begründeten Verdacht vorsätzlich herbeigeführt hat". Keinen Ersatz gibt es zudem, wenn das Verfahren lediglich deshalb beendet worden ist, weil der Täter "die Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen hat" – er also zum Beispiel schwer betrunken war.

Österreichs Anwaltspräsident, Armenak Utudjian, sieht die Reform in der APA als "großen Schritt in die richtige Richtung und zu mehr Rechtsstaatlichkeit". Man habe eine "sachgerechte Lösung" getroffen. Allerdings handle es sich nach wie vor nur um einen Kostenbeitrag und nicht um einen Kostenersatz. Man werde nun beobachten, ob die Budgetmittel tatsächlich ausgeschöpft werden. Sei das nicht der Fall, müsse man eventuell nachbessern.

Die Regelung soll rückwirkend mit Jahresbeginn 2024 in Kraft treten. Beschuldigte und Angeklagte, die seither freigesprochen wurden, dürfen sich also freuen. Für Balluch, Strache und Chorherr kommt die Regelung zu spät. (Jakob Pflügl, 25.4.2024)