Schild an einer Türklinke mit der Aufschrift
Bei der Aussage des Opfers schließt das Schöffengericht die Öffentlichkeit aus, nur die Angehörigen des Angeklagten und Rechtshörer dürfen im Verhandlungssaal bleiben.
APA / HARALD SCHNEIDER

Wien – Die gemütliche Weihnachtsfeier bei einer befreundeten Gastronomin endete für eine 56-jährige Wienerin in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember mit einem Schock. Denn nahe dem Lokal soll der 36-jährige Herr T. laut Anklage versucht haben, sie zu vergewaltigen. Nachdem er sich zuvor noch höflich gezeigt und der Frau beim Verstauen ihres kleinen Weihnachtsbaumes im Kofferraum geholfen hatte. Nun muss sich der zweifach wegen Urkundendelikten Vorbestrafte vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Stefan Apostol verantworten, zwischen zwei und zehn Jahre Gefängnis drohen ihm für das vorgeworfene Delikt.

Der Beginn des Zusammentreffens ist unstrittig. Die Frau bekam von ihrer Freundin den Baum geschenkt und hatte auf der nächtlichen Straße in Wien-Meidling Schwierigkeiten, ihn in ihrem Auto unterzubringen. T. fuhr vorbei, hielt und bot Hilfe an. Danach frönten beide noch dem Nikotinkonsum.

Ab diesem Zeitpunkt beginnen die Versionen zu differieren. T. erklärt dem Senat, der Frau sei kalt gewesen, er habe gefragt, ob er sie umarmen solle, daraus seien Küsse und "Fummeleien" entstanden. Ob dabei seine Hand auch in ihrem Slip gewesen sei, wisse er nicht mehr. Man habe sich dann auf die Gehsteigkante gesetzt, noch eine geraucht, dann habe die Frau gesagt, dass ihr Mann gleich komme, also sei er aufgestanden und gegangen, behauptet der Angeklagte.

Hilferufe alarmierten Anrainer

Ganz anders die Schilderung der Frau: Der in der Türkei geborene Österreicher habe gefragt, ob sie noch etwas trinken gehen sollen, mehrere Annäherungsversuche habe sie kategorisch zurückgewiesen. Als sie gehen wollte, habe er sie an der Hand gepackt und zu Boden gebracht, wie, wisse sie nicht mehr. Dort habe er ihren Rock hoch- sowie Strumpf- und Unterhose heruntergeschoben. Hätte sie nicht durch lautstarke Hilfeschreie Anrainer auf ihre Notlage aufmerksam gemacht, hätte der verheiratete zweifache Vater sie vergewaltigt, ist sich die 56-Jährige sicher.

Auf die Frage des Vorsitzenden, wie T. sich seine DNA-Spuren sowohl in der Strumpfhose als auch auf der Innenseite des Slips erklärt, verweist der auf das Petting. Hilfeschreie habe er jedenfalls nicht gehört. "Das weiß ich nicht. Bei mir hat sie nicht geschrien. Vielleicht nach mir ist was passiert, und ein anderer Mann ist gekommen?", mutmaßt der Angeklagte. "Es wurde aber nur Ihre männliche DNA auf der Kleidung nachgewiesen", hält Apostol diese Variante für unwahrscheinlich.

Eine Anrainerin und ein Anrainer, die der Frau zu Hilfe kamen, berichten, dass diese von Vergewaltigung gesprochen habe und ursprünglich mit nacktem Unterkörper auf dem Gehsteig gesessen oder gelegen sei. Identifizieren können die beiden den Angreifer nicht, da sie erst später dazugekommen sind. Die 56-Jährige sagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit und in Abwesenheit des Angeklagten aus.

Verteidiger sieht keine Gewalt

Für Staatsanwältin Christina Enengl ist danach klar: "So, wie es der Angeklagte sagt, kann es nicht gewesen sein", daher fordert sie eine anklagekonforme Verurteilung. Der Verteidiger ist dagegen überzeugt: "Das Opfer konnte auf meine Nachfrage nicht mehr sagen, wie sie zu Boden gekommen ist, es könnte auch ein Sturz gewesen sein." Wir wissen nicht, was passiert ist. Daher sei im Zweifel für seinen Mandanten davon auszugehen, dass es sich um eine geschlechtliche Nötigung oder eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung gehandelt habe, aber nicht um eine versuchte Vergewaltigung.

Der Senat lässt sich von dieser Argumentation nicht beeindrucken und benötigt nur wenige Minuten, um T. rechtskräftig wegen versuchter Vergewaltigung zu zwei Jahren und neun Monaten unbedingter Haft zu verurteilen. "Dem Verteidiger ist zuzustimmen, wenn es Zweifel gegeben hätte. Allein, wir haben keine Zweifel", begründet der Vorsitzende die Entscheidung. Die Darstellung des Opfers sei lebensnah und glaubwürdig gewesen, dazu kämen die DNA-Spuren und die Beobachtungen der Zeugen. "Es gibt nicht viel, was für Sie spricht, außer, dass es beim Versuch geblieben ist, das ist natürlich ein wesentlicher Milderungsgrund", erläutert Apostol noch, wie die Höhe der Strafe bemessen wurde. (Michael Möseneder, 26.4.2024)