Wien – Drei Plätze hat Österreich im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen (RSF) verloren und landet damit auf Platz 32 – DER STANDARD berichtete. Damit findet sich das Land im Mittelfeld der als "zufriedenstellend" eingestuften Länder. Von einer "guten" Lage entfernt man sich mit einem Score von 74,7 von 100 Punkten zusehends. Reporter ohne Grenzen und der Presseclub Concordia zeigten sich am Freitag genauso darüber alarmiert wie Oppositionsparteien. Die ÖVP ließ Zweifel am Ergebnis durchklingen.

Fritz Hausjell, Medienwissenschafter und Präsident von Reporter ohne Grenzen.
Fritz Hausjell, Medienwissenschafter und Präsident von Reporter ohne Grenzen.
Regine Hendrich

Politeinfluss auf Medien

Den Rückfall im Pressefreiheitsindex führt RSF-Österreich-Präsident Fritz Hausjell unter anderem auf hochproblematisch enge bis mutmaßlich korruptive Vorgänge zwischen der Regierungspolitik und etlichen großen Medien zurück. Außerdem wurden Journalisten als vermeintliche Aktivisten attackiert, und die Zahl der Tageszeitungen schrumpfte nach der Einstellung der Wiener Zeitung und des Oberösterreichischen Volksblatts in Printform auf zwölf Titel. Die Umsetzung eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs, wonach die Regierung zu viel Einfluss bei der Bestellung von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat hat, wurde bisher nicht in Angriff genommen. Als positive Entwicklung wird etwa das noch nicht in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz angeführt.

Video: Pressefreiheits-Index: Österreich rutscht auf Platz 32 ab
APA

ÖVP meldet Zweifel an

ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger nannte das Abrutschen Österreichs im Ranking "bedauerlich" und ließ sogleich Zweifel am Ranking durchklingen: "Es ist allerdings zu hoffen, dass die Analyse zum Pressefreiheitsindex 2024 des RSF-Österreich-Präsidenten Fritz Hausjell, Mitglied im Bund Sozialdemokratischer Akademikerinnen und Akademiker, nicht dem Wahljahr 2024 geschuldet ist", so Egger in einer Aussendung. "Auch bei kritischen Analysen ist wissenschaftliche Objektivität gefragt. Pressefreiheit ist zu wichtig, um sie im parteipolitischen Sinne zu verwenden. Ich hoffe, Präsident Hausjell ist hier einer Meinung mit mir."

SPÖ sieht "Armutszeugnis für die Regierung"

SPÖ-Chef Andreas Babler sah ein "Armutszeugnis für die Regierung und auch das Ergebnis von ÖVP- und FPÖ-Attacken auf den unabhängigen Journalismus". Die Nationalratswahl werde eine Richtungsentscheidung, ob "Pressefreiheit und kritische Berichterstattung von einer schwarz-blauen Regierung eingeschränkt werden oder mit der SPÖ der unabhängige Journalismus und der Medienstandort gestärkt werden", so Babler in einer Aussendung.

Neos wollen Deckel bei Regierungsinseraten

Die Neos reagierten schockiert auf den Abfall im Pressefreiheitsindex. "Eine freie Presse zählt zu den wichtigsten Grundpfeilern einer liberalen Demokratie. Die Regierung kann und darf nicht länger tatenlos dabei zuschauen, wie Österreich im Pressefreiheitsindex immer weiter abrutscht", wurde Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter zitiert. Sie forderte unter anderem einen Deckel für Regierungsinserate und eine Gremienreform für den ORF.

FPÖ gegen "Inseratenkorruption"

FPÖ-Mediensprecher und -Generalsekretär Christian Hafenecker will den Einfluss der Regierung auf Medien zurückdrängen. "Medienkauf, Inseratenkorruption und Förderwillkür, wie sie von ÖVP und Grünen betrieben werden, stellen nach wie vor große Bedrohungen für die Presse- und Medienfreiheit dar. Mindestens genauso bedrohlich sind aber auch die Bestrebungen der EU-Eliten, unter dem Deckmantel des Kampfes gegen 'Desinformation' oder 'Hass im Netz' kontroversielle Meinungen und Publikationen vor allem im Internet zu zensieren und mundtot zu machen", erklärte er in einer Aussendung. Wie berichtet, hat gerade die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache sowie gegen die einstigen blauen Minister Mario Kunasek, Herbert Kickl, Norbert Hofer und Beate Hartinger-Klein eingeleitet. Es geht um den Verdacht auf gekaufte Berichterstattung in der Boulevardzeitung Österreich.

Der Presseclub Concordia merkte anlässlich des Tages der Pressefreiheit in einer Aussendung an, dass die Pressefreiheit im Land "akut bedroht" sei. Bloße Lippenbekenntnisse würden nicht mehr reichen, es bedürfe "dringender Schutzmaßnahmen". So sei die wirtschaftliche Lage der Medienhäuser so schwierig wie seit langem nicht mehr. Demokratieschädigend seien die Versuche der FPÖ, Journalistinnen und Journalisten zu diskreditieren. Die Interessenvertretung fordert zudem die Sicherung der Unabhängigkeit des ORF durch eine Gremienreform, eine transparente Vergabe von Förderungen und Inseraten sowie den Schutz von Journalisten vor Angriffen im digitalen Raum, aber auch bei Demonstrationen oder vor Einschüchterungsklagen.

Kritik an Peter Westenthaler

Der Presseclub Concordia erwähnt ihn zwar nicht namentlich, kritisiert aber Peter Westenthaler: "Ein FPÖ-Stiftungsrat zeigt gerade vor, wie zersetzend parteipolitischer Einfluss in den ORF-Gremien sein kann. Statt seiner Aufgabe als Stiftungsrat nachzukommen und im Interesse der Allgemeinheit den ORF als verlässliche und funktionierende Infrastruktur der Demokratie zu stärken, untergräbt er dessen Glaubwürdigkeit." Er denunziere den ORF als "Propagandainstrument des Systems" und schrecke nicht davor zurück, "einen integren ORF-Journalisten auf Facebook persönlich anzugreifen und ihm Lügen und Charakterlosigkeit zu unterstellen".

Die weitere Ausdünnung der medialen Landschaft befürchten die Journalist:innengewerkschaft und der Wirtschaftsbereich ORF und Töchter in der Gewerkschaft. Sie fordern eine stärkere Förderung von Qualitätsjournalismus nach Kriterien wie der Anwendung von Journalisten-Kollektivverträgen, der Anerkennung des Presserats oder von Redaktionsstatuten.

Den 180 Länder umfassenden Pressefreiheitsindex führt zum achten Mal in Folge Norwegen an. Dahinter folgen weitere nordeuropäische Staaten: Dänemark, Schweden, die Niederlande, Finnland und Estland. Dort sei es wie auch in Portugal und Irland "gut" um die Pressefreiheit bestellt. Weltweit betrachtet ortet Reporter ohne Grenzen jedoch eine "besorgniserregende Verschlechterung der Unterstützung und Achtung der Unabhängigkeit der Medien", hieß es in einer Aussendung. (red, APA, 3.5.2024)