Das Taxi erscheint automatisch am Abholort und fährt den Fahrgast selbstständig zum Ziel, während dieser ein Nickerchen macht oder Nachrichten auf seinem Smartphone liest: Die Vision der autonomen Fahrzeuge ist nicht neu und wird von der Branche intensiv bearbeitet, begleitet von diversen Höhen und Tiefen. Doch nun sorgen selbstfahrende Autos wieder für Gesprächsstoff, und zwar wegen Elon Musk: Der Tesla-Chef brachte das Thema vor wenigen Tagen wieder aufs Tapet, da seine Fahrassistenzsysteme FSD und Autopilot nun auch in China offiziell zugelassen wurden.

Dabei handelt es sich zwar entgegen der Marketingbotschaft – "FSD" steht fälschlicherweise als Abkürzung für "Full Self-Driving" – nicht um echtes autonomes Fahren, sondern um ein Fahrtassistenzsystem. Dennoch wirft diese Entwicklung ebenso wie diverse Feldversuche in den USA die Frage auf, ob autonome Fahrzeuge in Österreich überhaupt fahren dürften.

Fahrerlos ist verboten ...

Die Antwort auf diese Frage lautet wie so oft: Jein. So verweist man auf Anfrage des STANDARD aus dem Klimaministerium (BMK), in welchem auch das Thema Mobilität angesiedelt ist, auf die "Automatisiertes-Fahren-Verordnung". Mit dieser wurden bereits 2016 die Rahmenbedingungen für automatisierte Fahrzeuge und deren Systeme geschaffen. Allgemein gibt es für die Zulässigkeit von automatisierten und fahrerlosen Fahrzeugen Regelungen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene – die Art und Weise, wie automatisierte Fahrzeuge eingesetzt werden, ist in Europa aber von der Gesetzgebung der einzelnen Mitgliedsstaaten abhängig.

VW ID.Buzz AD
Vom Hippie- zum Tech-Traum: Die modernisierte Version des VW-Busses wird unter dem Namen "ID.Buzz AD" zum autonomen Fahrzeug. Bei VW sieht man auch Potenzial in der Paketzustellung.
Volkswagen

Gemäß dieser Verordnung ist zwar der Testbetrieb von automatisierten Fahrzeugen zur Personenbeförderung gestattet, die gewerbliche Beförderung von Menschen ist aktuell hingegen nicht erlaubt. Seit 2016 wurden 65 Bescheinigungen für das Testen und Erproben automatisierter Fahrzeuge in Österreich ausgestellt, heißt es aus dem Ministerium: Getestet wurden vorrangig das Spurhalten, das Spurwechseln auf Autobahnen und Schnellstraßen, die Mensch-Maschine-Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmenden, der Einsatz von hochautomatisierten Shuttles und Minibussen als Ergänzung der ersten und letzten Meile sowie dafür notwendige Technologien wie die Einbindung in das vorhandene Verkehrssystem oder die Interaktion mit dem Mischverkehr.

Für den Testbetrieb autonomer Fahrzeuge auf Basis der Automat-Fahr-Verordnung gilt laut Ministerium jedenfalls, dass die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung, der Eisenbahnkreuzungsverordnung und des "Immissionsschutzgesetzes Luft" eingehalten werden müssen. Vor allem aber dürfen die Fahrzeuge nicht fahrerlos sein: Es muss sich immer ein Sicherheitsfahrer oder eine Sicherheitsfahrerin im Auto befinden, der oder die im Bedarfsfall eingreifen und die Lenkaufgaben übernehmen kann. Dementsprechend dürfen die Testfahrten nur von besonders geschulten Personen durchgeführt werden.

... könnte demnächst aber erlaubt werden

Allerdings heißt es aus dem Ministerium auch, dass derzeit an der Erstellung eines neuen Rechtsrahmens für automatisierte Mobilität gearbeitet werde. Dieser soll es künftig ermöglichen, in bestimmten Bereichen fahrerlose Autos zu erlauben. Potenzial sieht man zum Beispiel in der Ergänzung zu öffentlichen Verkehrsmitteln und im Bereich der berühmten "letzten Meile": also jener Strecke zwischen Bahnhof und Reiseziel, die von den Öffis nicht mehr abgedeckt wird.

Im Gegensatz zum Testbetrieb müssen allerdings weit mehr Faktoren berücksichtigt werden, wenn solche Fahrzeuge auch im Alltag genutzt werden sollen. Dazu gehören zum Beispiel auch regelmäßige Wartungen und Begutachtungen sowie entsprechende Ausbildungen. Unter anderem erwartet man, dass durch Automatisierung und Digitalisierung auch in der Mobilität neue Berufsbilder entstehen.

Mithilfe nationaler Forschungsprojekte, Studien, Analysen und Kooperationen versucht das BMK, die erforderlichen Punkte für einen neuen Rechtsrahmen zu identifizieren, um den fahrerlosen Regelbetrieb möglichst sicher, nachhaltig und effizient zu gestalten. "Gleichzeitig ist das Klimaschutzministerium bestrebt, einen möglichst breiten Rechtsrahmen zu definieren, welcher den vielfältigen Einsatz von automatisierter Mobilität in all ihren Facetten ermöglicht", heißt es aus dem BMK.

Ende 2023 wurden in einem Positionspapier des BMK zum Umgang mit automatisierter Mobilität einige erforderliche Schlüsselelemente und offene Fragen dargestellt, aktuelle Entwicklungen werden auf einer Microsite des Ministeriums zusammengefasst. Verankert ist die Strategie für fahrerloses Fahren im "Mobilitätsmasterplan 2030", unter anderem wird eine wünschenswerte Mobilitätszukunft für das Jahr 2040 gezeichnet. Klimaschutz und die Stärkung des öffentlichen Verkehrs spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Reduktion von Verkehrsunfällen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung muss gegeben sein sowie ein inklusiver und barrierefreier Zugang. Hinzu kommen Themen wie Datenschutz und sich wandelnde Jobprofile.

"Die Art und Weise, wie und in welcher Form die automatisierte Mobilität unsere Zukunft prägen wird, ist dennoch nicht im Detail absehbar und nur schwer zu prognostizieren", heißt es allerdings im Positionspapier, womit das Ministerium die gleiche Vorsicht walten lässt wie diverse Experten und Marktbeobachter: Die Entwicklung ist dynamisch, Innovationen treffen auf Rückschläge, und entsprechend kann sich auch das Stimmungsbild in der Gesellschaft wandeln. Kurzum: Es ist schwer vorherzusehen, wann und wo autonomes Fahren zum Alltag wird.

Realistischerweise werde der Rechtsrahmen außerdem laufend an die veränderten technischen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen, heißt es ergänzend auf Nachfrage des STANDARD aus dem BMK: "Denn die Gesetze sind nur gut, wenn sie am aktuellen Stand der technischen Möglichkeiten sind. Im Gleichklang mit der EU wird es hier auch in Österreich in den kommenden Jahren größere Schritte geben."

Hersteller bringen sich in Stellung

Unter anderem ist es auch Musk selbst, der mit einem Mix aus Ankündigungen und Verschiebungen immer wieder für Ungewissheit und Missverständnisse sorgt. So hatte der umtriebige Unternehmer Anfang April eine "Tesla-Robotaxi-Enthüllung" für den achten August 2024 angekündigt. Ob dieses Datum hält, darf angezweifelt werden: Angesichts des wirtschaftlichen Drucks baut Tesla in einem "Hardcore-Vorgehen" derzeit über 20.000 Stellen ab und spart ganze Abteilungen ein – darunter auch jene für Neuentwicklungen. Schon im Sommer 2023 hatte Musk verkündet, dass vollautonomes Fahren "bis Jahresende" Realität werde. Diese Prognose bewahrheitete sich bekanntermaßen nicht.

Im Visier der Kritiker ist Musks Unternehmen auch, weil das FSD-System wie eingangs bereits erwähnt nicht das ist, was der Name suggeriert. So unterteilt man den Weg zum selbstfahrenden Auto in fünf Level, welche vom assistierten Fahren bis zum autonomen Fahren reichen (siehe Infokasten). Für die angeführten Mobilitätspläne wären Systeme der Stufe 4 oder 5 nötig, Teslas FSD bewegt sich hingegen auf Level 2 – und ist somit weniger ausgefeilt als das System von so manchem Konkurrenten.

So hat Mercedes-Benz mit dem "Drive Pilot" ein Level-3-System in seine S-Klasse beziehungsweise in seine E-Limousine EQS (Preis: ab 102.920 Euro) eingebaut. Mit diesem ist es unter anderem möglich, auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von bis zu 60 Stundenkilometern teilautonom fahren. Auch Konkurrent BMW setzt in den ersten Autos auf Level-3-Systeme, die das Fahrzeug im Stau auf der Autobahn automatisch lenken. Dass allerdings auch bei den Limousinen der Deutschen nicht alles rosig läuft, zeigt unter anderem ein Video des ADAC, in dem der Drive-Pilot von Mercedes getestet wird.

Mercedes EQS DRIVE PILOT im Stau: Der Vorreiter des autonomen Fahrens? | ADAC
ADAC

Große Pläne hat man aber auch bei VW. Hier heißt es auf Anfrage des STANDARD, dass man ein autonomes Level-4-Flottenfahrzeug für die Großserie entwickle, und zwar mit dem ID.Buzz AD: Die elektrische, modernisierte Version des VW-Busses soll autonom werden. Die Zielgruppe liegt nicht im Segment der Privatkunden, sondern beim Einsatz im kommerziellen Bereich, etwa für Mobilitäts- und Transportdiente. Neben der Personenbeförderung sieht man bei VW zum Beispiel auch Potenzial in der Paketlogistik, autonome Fahrzeuge sollen dabei selbstständig Be- und Entladestationen oder Kundenadressen anfahren können.

Level 4 bedeutet, dass sich der VW-Bus in einem definierten Gebiet, wie etwa einer Stadt, selbst steuern kann. Auf technischer Ebene setzt das Fahrzeug unter anderem auf zwei unabhängige Hochleistungsrechner, 13 Kameras, neun Lidar- und fünf Radar-Einheiten. Nach einer Pilotphase mit Straßentests in Deutschland und den USA kooperieren die Deutschen nun mit dem israelischen Technologieunternehmen Mobileye, um das Fahrzeug näher in Richtung Marktreife zu bringen.

Erfahrungen in den USA

Dass es Rückschläge in der Entwicklung geben kann, zeigt sich aber auch in den USA, wo man im Gegensatz zu Österreich bereits in größerem Rahmen mit selbstfahrenden Taxis experimentiert und später bei Bedarf nachbessert. So geschehen beim Anbieter Cruise: Dessen Fahrzeuge waren zunächst autonom im Straßenverkehr unterwegs, nach einem folgenschweren Unfall wurde der Betrieb zunächst eingestellt, nun kehren die Fahrzeuge wieder zurück – allerdings vorerst von Menschen gesteuert. Mit dem Ziel, zunächst ausreichend Daten zu Ampeln und Verkehrsführung zu sammeln.

Der direkte Konkurrent von Cruise, das Google-Schwesterunternehmen Waymo, lässt seine Fahrzeuge hingegen nach wie vor autonom fahren, musste sich zuletzt jedoch ebenfalls rechtfertigen: Ein Auto war in den Gegenverkehrt gewechselt und dort für 30 Sekunden gefahren, da auf der korrekten Fahrbahn Menschen mit Rollern unterwegs waren. Das Verhalten des Autos sei "umsichtig" gewesen, da einer der Rollerfahrer hätte stürzen können, so die Argumentation des Alphabet-Tochterunternehmens. Generell waren die Waymo-Fahrzeuge in den vergangenen Monaten ohne größere Zwischenfälle in San Francisco unterwegs. Die Einwohner stören sich sogar eher daran, dass die Fahrzeuge teils zu zaghaft agieren und somit gelegentlich den Verkehr blockieren.

Weil viele Menschen autonomen Fahrzeugen noch immer skeptisch gegenüberstehen, will die US-Lobbyingorganisation AVIA (Autonomous Vehicle Industry Association) gegensteuern: in der Studie "State of AV 2024" heißt es, dass im Jahr 2022 fast 43.000 Menschen in den USA bei Verkehrsunfällen gestorben und über 90 Prozent der Autounfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen seien. Autonome Fahrzeuge hätten inzwischen hingegen rund 70 Millionen Meilen (112 Millionen Kilometer) zurückgelegt, bei vergleichsweise wenigen Unfällen – Zahlen, die zu einem gewissen Grad mit Vorsicht zu genießen sind: Denn immerhin wurde Tesla zuletzt vorgeworfen, Unfälle in Verbindung mit FSD und Autopilot nicht korrekt gemeldet zu haben. (Stefan Mey, 3.5.2024)