Klaudia Tanner Bundesministerin für Landesverteidigung
Klaudia Tanner und die ÖVP wollen auf Familie, Leistung und Sicherheit setzen.
Heribert Corn

Derzeit gibt das Bundesheer Geld aus wie nie zuvor: Die Panzerflotte wird modernisiert und um 225 Pandur-Radpanzer ergänzt, die Luftabwehr gestärkt und die Eurofighter werden nachgerüstet. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner fürchtet nicht, dass das Thema den Wahlkampf belasten wird.

STANDARD: Gewinnt man mit Sicherheitspolitik Wahlen?

Tanner: Sicherheit darf nie ein parteipolitisches Mascherl haben. Das hat der von mir sehr geschätzte, viel zu früh verstorbene Sozialdemokrat Otto Pendl gesagt.

STANDARD: Ich frage Sie als ÖVP-Politikerin: Sollen Sicherheitsfragen im Wahlkampf angesprochen werden, oder will man das tunlichst vermeiden?

Tanner: Es ist unabdingbar notwendig, Sicherheitsfragen zu thematisieren, das sollte auch gar nichts mit dem Wahlkampf zu tun haben. Aber wenn Sie schon von der ÖVP reden wollen: Wir haben an der Spitze der Partei den Bundeskanzler, der als Einziger einen Plan hat, wie sich Österreich entwickeln soll. Dieser Plan baut auf drei Säulen auf: Familie, Leistung und selbstverständlich Sicherheit.

STANDARD: Da muss man sich nicht scheuen dazuzusagen, dass das viel Geld kostet?

Tanner: Überhaupt nicht! Das muss man auch sagen. Was man aber auch sagen muss: Die Beschaffungen müssen transparent passieren, damit nicht auch nur der Anschein entsteht, dass da etwas nicht korrekt liefe. Jeder Euro, den wir in das Bundesheer investieren, ist eine Investition in unsere Neutralität und in unser aller Sicherheit. Und es bleibt ja auch ein Effekt für die österreichische Wirtschaft: Wenn wir bis 2025 100 militärische Liegenschaften autark machen, dann sind das zu 99 Prozent Investitionen in regionale Bauunternehmen. Der Pandur Evo ist ein Produkt made in Austria – mit 270 klein- und mittelständischen Zulieferunternehmen. Wir haben über 800 Lkws bei MAN/Rheinmetall in Wien-Liesing bestellt – und natürlich stehen dort auch welche für Exportaufträge, etwa für die deutsche Bundeswehr.

STANDARD: Die Neutralität wird im EU-Wahlkampf zum Thema gemacht – der Herr Bundeskanzler will über Neutralität gar nicht diskutieren und gar nichts ändern …

Tanner: Da zitieren Sie ungenau: Unser Bundeskanzler, der ja auch Milizoffizier ist, weiß genau, worum es geht. Wir müssen, gerade weil wir an der Neutralität festhalten, sehr vieles ändern. Denn die Neutralität allein schützt uns ja nicht, sondern nur ein gut ausgestattetes Bundesheer. Es geht darum, dass man seine Verantwortung fernab von wahlpolitischen Überlegungen wahrzunehmen hat – und da sind wir mehr gefordert als in der Vergangenheit. Wir haben das Budget steigern können, und ich bin überzeugt, dass alle erkannt haben, dass gerade ein militärisch neutraler Staat die Verpflichtung hat, seine Neutralität mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu schützen.

STANDARD: Dem steht aber eine im internationalen Vergleich sehr gering ausgeprägte Wehrgesinnung gegenüber – wo man abwägt: Soll man für Landesverteidigung wirklich so viel Geld ausgeben, wo wir doch eh neutral sind? Uns passiert ja eh nix …

Tanner: Das ist in der Vergangenheit so gesehen worden. Aber inzwischen verstehen alle Parteien, dass Sicherheit vielleicht nicht alles ist, aber ohne Sicherheit alles nichts ist. Wir haben über alle Parteigrenzen hinweg ein Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz beschlossen, das bis 2032 und darüber hinaus eine gesetzliche Grundlage geschaffen hat, das Bundesheer zu einer modernen Armee zu machen. Und das tun wir jetzt.

Tanner
Tanner findet: "Man muss klar aussprechen, wer der Aggressor ist."
Heribert Corn

STANDARD: Wenn es in Wahlkämpfen heißt "Butter oder Kanonen", wählen halt viele die Butter.

Tanner: Ich glaube, das hat sich angesichts der internationalen Krisen verändert. Es stimmt zwar, dass sich das in der Wehrbereitschaft noch nicht niederschlägt – aber wir versuchen ja auch, die lange Zeit vernachlässigte Geistige Landesverteidigung wiederzubeleben. Sie steht jetzt wieder in den Lehrplänen, wir haben ein Netzwerk von über 600 Informationsoffizierinnen und -offizieren. Wir haben ein Netz von Partnern, Betrieben und Vereinen. Und man sieht, dass es in der Bevölkerung eine hohe Zustimmung zwischen 70 und 80 Prozent zur Neutralität und zur Ausstattung des Bundesheeres gibt. Die Souveränität muss gerade in der Luftverteidigung geschützt werden – und wir haben im Nahen Osten gesehen, dass es Systeme gibt, die Bedrohungen zu 99 Prozent abwehren können.

STANDARD: Das hat selbst in Israel nur in internationaler Kooperation funktioniert. Bei uns hat aber vor allem die FPÖ gemeint, bei Sky Shield dürfe ein neutraler Staat nicht mit Deutschland oder der Nato kooperieren.

Tanner: Diese Stimmen sind schon etwas leiser geworden, weil man ja sieht, dass es notwendig ist, sich vor Gefahren aus der Luft zu schützen – und sei es nur vor fehlgeleiteten Drohnen, wie sie etwa Zagreb erreicht haben. Sky Shield ist ja eine Beschaffungskooperation auf Initiative Deutschlands. Und internationale Kooperationen sind ja für Österreich nichts Neues, wenn man allein daran denkt, an wie vielen friedenserhaltenden Missionen unsere Soldaten beteiligt waren. Da brauchen wir unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Neutralität heißt nicht Gleichgültigkeit. Man muss klar aussprechen, wer der Aggressor ist, auch wenn man sich wie vielfach in der Vergangenheit als Ort internationaler Sicherheitskonferenzen anbietet.

STANDARD: Wie definieren Sie dann Neutralität?

Tanner: Neutralität heißt, sich an keinen Kriegen zu beteiligen, keine Kriegspartei zu unterstützen, keinen Militärbündnissen anzugehören und keine dauerhafte Stationierung von fremden Truppen in Österreich zuzulassen. Vor allem aber müssen wir unsere Bevölkerung selbst schützen. Deshalb bringen wir unsere Waffensysteme 35-mm-Fliegerabwehr und Mistral auf den neuesten Stand, deswegen gibt es das Paket mit den zusätzlichen 225 Pandur-Mannschaftstransportpanzern, die mit 36 Systemen Skyranger ergänzt werden – das sind schon sehr wichtige Schritte, um Bedrohungen geringer und mittlerer Reichweite abzuwehren. Bei den Systemen größerer Reichweite geht es um neue Fähigkeiten, die wir angesichts neuer Bedrohungen erwerben müssen. Keine Partei, die sich Sicherheitspartei nennen will, wird das bezweifeln.

STANDARD: Dabei wird die Sicherheitspolitik aber immer wieder von Themen überlagert wie den zumindest "missverständlichen" Postings von General Robert Brieger …

Tanner: Ich kenne General Brieger als zuverlässigen und verantwortungsvollen Militär. Er selbst hat die Inhalte bereits strikt abgelehnt und sich davon klar distanziert. Jetzt liegt es an der Kommission, dies zu prüfen, diese hat ja angekündigt, sich um mehr Klarstellung zu bemühen. (Conrad Seidl, 24.4.2024)