Satellitenbilder zeigen den Aufbau von Zeltstädten im Gazastreifen.
Satellitenbilder zeigen den Aufbau von Zeltstädten im Gazastreifen.
AFP/Satellite image ©2024 Maxar

Als Benjamin Netanjahu in einer öffentlichen Ansprache kurz vor dem Pessachfest verkündete, Israel werde schon bald seinen militärischen Druck auf die Hamas erhöhen, schenkte dem kaum jemand Glauben. Der israelische Ministerpräsident hatte es schlicht schon zu oft angekündigt. Auf Gazas Boden geschah dann oft das Gegenteil. Derzeit sind nur wenige Tausend Soldaten als Bodentruppen vor Ort. Von einer baldigen Invasion in der südlichen Stadt Rafah, die laut Einschätzungen der israelischen Armee die letzte Bastion der Hamas ist, war daher wenig zu bemerken.

Nun gibt es objektive Hinweise, dass die umstrittene Bodenoffensive in Rafah doch schon in absehbarer Zeit starten könnte. Satellitenaufnahmen aus dem Süden des Gazastreifens, die von der Nachrichtenagentur AP veröffentlicht wurden, belegen den Aufbau einer Zeltstadt westlich der Stadt Khan Younis. Die Gegend um Khan Younis wurde von Israels Armee als Zielgebiet für die Evakuierung der vielen Binnenvertriebenen, die derzeit in eng gedrängten Verhältnissen in Rafah leben, ausgewählt. Bereits vor mehreren Wochen hatte Israels Armee eine große Zahl an Zelten angeschafft, schon damals gab es Spekulationen, dass sie der Vorbereitung der Rafah-Invasion dienen könnten.

Umsiedlung braucht Zeit  

Davon, dass die Offensive schon "in den kommenden Tagen" starten könnte, wie Netanjahu angedeutet hatte, kann aber keine Rede sein. Die dafür nötige Evakuierung der rund 1,3 Millionen Binnenflüchtlinge aus Rafah ist ein komplexes Unterfangen. Laut Experten würde die Umsiedlung der dort untergebrachten Familien mindestens drei Wochen in Anspruch nehmen. Auch die für die Versorgung der Binnenflüchtlinge erforderliche Infrastruktur, also beispielsweise Lebensmittel-Ausgabezentren und mobile Kliniken, muss erst geschaffen werden. Da daran diverse Partner beteiligt sind – von kleineren Hilfsorganisationen über UN-Agenturen bis hin zu den beteiligten Hilfsgeberstaaten –, ist die Koordination einigermaßen komplex.

Unklar ist, welche weiteren Gebiete für die Unterbringung der Flüchtlinge bestimmt wurden. Die Zeltstädte bei Khan Younis bieten nur für einen Teil der hilfesuchenden Menschen Platz. Israels Armee ist entschlossen, die Menschen von der Rückkehr in die nördlichen Gebiete des Gazastreifens abzuhalten.

Zwischen 7. und 23. April ist die Zeltstadt entstanden, wie dieser Bildervergleich belegt.
AFP/Satellite image ©2024 Maxar

Die Welt sieht jedenfalls sehr genau hin, allen voran Israels wichtigster Verbündeter, die USA. "Wir können eine größere Militäroperation in Rafah nicht unterstützen", sagte Außenminister Antony Blinken am Freitag einmal mehr. Eine solche Operation "hätte schreckliche Folgen" für die dort ansässige Bevölkerung. Die USA haben Israel wiederholt aufgerufen, seine Kriegsziele mit anderen Mitteln zu verfolgen – etwa mit gezielten Luftschlägen in Rafah.

Sechs Wochen Kämpfe nötig

Israel sieht das anders: Die Invasion sei erforderlich, um die letzten vier von 24 Hamas-Bataillonen zu schlagen, heißt es. Dafür werde man rund sechs Wochen ununterbrochener Kämpfe benötigen. Israels Regierung hat aber zugesagt, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Binnenvertriebenen an anderen Orten unterzubringen und sie dort ausreichend zu versorgen.

Kritik an der Rafah-Invasion gibt es aber nicht nur wegen der nötigen Evakuierung. Der Großteil der Hilfslieferungen, die in den Gazastreifen kommen, erreichen das Gebiet über Rafah. Hilfsorganisationen befürchten, dass es zu akuten Blockaden dieser Lieferungen kommen könnte.

Ein neuer schwimmender Hafen, der im Auftrag der USA gebaut werden soll, könnte zwar das Nadelöhr in Rafah entlasten. Die Inbetriebnahme dieses Piers wird aber nicht vor Ende Mai möglich sein. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 24.4.2024)